Mitten in den Anden befindet sich eine sehenswerte Kolonialstadt, bekannt für ihre 33 Kirchen, ihr Kunsthandwerk und ihre bewegende Geschichte, dem Terrorismus der 80er und 90er Jahre. Die Rede ist von Ayacucho, auch “Huamanga” genannt. Von den Touristenströmen wird die Stadt in den Zentralanden vollends ignoriert, doch so behält sie ihren unverkennbaren Charme, dem jeder verfällt, der sie besucht.
Fakten über Ayacucho
Region: Ayacucho
Distanz: Rund 570 Kilometer von Lima (7 Autostunden)
Klima: mild und trocken (Regenzeit von November bis April)
Höhenmeter: 2.760 Meter
Einwohner: ca. 150.000
Anreise:
Mit Flugzeug (LATAM, LCPeru ab Lima)
Mit Bus ab Lima über Huancayo (Oltursa), ab Lima über Ica (Cruz del Sur), ab Cusco über Andahuaylas (Expreso los Chankas)
Ab sofort bietet die zuverlässige und bequeme Busgesellschaft Moviltours die Strecke Cusco – Ayacucho an!
Mein Besuch in Ayacucho
Im Mai 2017 habe ich Ayacucho das erste Mal besucht und mich gleich in den Charme dieser Kolonialstadt in den Zentralanden verliebt. Von einer Freundin hatte ich im Vorfeld ein paar Tipps bekommen: Ich sollte unbedingt ins naheliegende Dorf Quinua fahren, mir die archäologischen Stätten Wari und Vilcashuamán ansehen und natürlich das „museo de la memoria“ (Museum, welches sich mit der Zeit des Terrorismus beschäftigt) besuchen. Aber abgesehen von diesen Tipps gibt es noch so unglaublich viel zu entdecken, dass ein zweiter oder dritter Besuch gar nicht lange auf sich warten lassen sollte.
Übernachtung in Ayacucho
In Ayacucho verbrachte ich vier Nächte in dem AirBnB von dem Retablo-Künstler Silvestre Deivis. Angesichts der Tatsache, dass das Angebot an Unterkünften nicht so berauschend ist, hatte ich mich für dieses AirBnB entschieden, es liegt sehr nah beim Busterminal. Es war sehr interessant in dem Haus eines Retablo-Künstlers (Altarkünstler) zu wohnen und zu sehen, wie das traditionelle Kunsthandwerk aus Ayacucho hergestellt wird. Mein Zimmer war ruhig und sauber, ich hatte warmes Wasser und gutes Internet. Mit dem öffentlichen Bus war ich innerhalb von 20 Minuten im Zentrum. Eigentlich perfekt, hätte die Kommunikation mit den Besitzern etwas besser geklappt. Vielleicht bin ich etwas verwöhnt von anderen AirBnB-Unterkünften, wo ich überschüttet wurde mit Informationen und netten Behilflichkeiten, hier ging alles etwas anonymer zu. Aber auch okay.
Stadtbesichtigung Ayacucho
Während meinem Besuch in Ayacucho hatte ich Glück mit dem Wetter, vier Tage purer Sonnenschein. Dass die Bewohner Ayacuchos ihre Stadt gar nicht Ayacucho, sondern „Huamanga“ nennen, war eines meiner ersten Lektionen. Überregional bleibt es aber bei Ayacucho.
Für meinen ersten Tag nahm ich mir den Besuch der Altstadt, Kirchen, Museen und Märkte vor. Aber keine Erkundungstour startet bei mir ohne eine gute Tasse Kaffee. Und die trinke ich in dem Café Vía Vía mit Blick über den Hauptplatz und die Kathedrale. Wer in einer untouristischen Stadt wie Ayacucho andere Reisende treffen möchte, ist hier genau richtig. Das Café gehört zum gleichnamigen Hotel ViaVia. Wie ich so auf dem Balkon sitze und an meinen heißen Kaffee schlürfe, blättere ich in einem Prospekt, welches mich über die Geschichte von Ayacucho aufklärt.
Ayacucho und seine bewegende Geschichte
Die Region von Ayacucho war einmaliges Reich der Wari (500 bis 1000 n. Chr.), eine wichtige Vorläuferkultur der Inka. 1539 wurde die Stadt vom spanischen Eroberer Francisco Pizarro als „San Juan de la Frontera de Huamanga“ neu gegründet. Huamanga (Auf Quechua auch: „Wamanqa“) soll „Falken-Fels“ heißen.
Am 09. Dezember 1824 führte Simón Bolívar in der „Schlacht von Ayacucho“ den entscheidenen Feldzug gegen die Spanier. Das Schlachtfeld befindet sich in der Hochebene von Quinua, wo ich in den kommenden Tagen das Denkmal besuchen werde. Seit der Unabhängigkeit Perus über Spanien wurde die Stadt neu in „Ayacucho“, auch „Ayakuchu“ (Winkel der Toten) unbenannt.
Ayacucho und der Terrorismus
Ayacucho sollte niemals ganz von Krieg und gewaltsamen Übergriffen verschont bleiben. So wusste ich bereits, dass Ayacucho besonders hart vom Terrorismus der 80er und 90er Jahre getroffen wurde. An der Universität San Cristóbal de Huamanga gründete sich Ende der 1960er Jahre aus einer Studentenbewegung die Terrorismus-Bewegung „Leuchtender Pfad (“Sendero Luminoso”), angeführt durch den Philosophieprofessor Abimael Guzmán. Die Guerillaorganisation verursachte zwischen 1980 und 2000 einen blutigen Bürgerkrieg, der bis zu 70.000 unschuldige Menschen, vor allem Kleinbauern aus der Umgebung von Ayacucho, das Leben kostete.
Bis heute arbeitet das Land Peru an der Aufarbeitung seiner blutigen Geschichte. In Lima wurde 2015 das Museum „Lugar de la Memoria, la Tolerancia y la Inclusión Social (LUM)“ gegründet, welches man in Miraflores besuchen kann. Aber auch Ayacucho selbst besitzt ein kleines Museum, welches ebenso als Gedenkstätte für die Angehörigen dient.
Bewegt von der turbulenten Geschichte dieser Stadt, laufe ich als erstes zum etwas versteckten „museo de la memoria“ (Calle Libertad 1365). Der Eintritt kostet 2 Soles und eine kurze Führung ist im Preis inbegriffen. Im Gegensatz zum Museum in Lima handelt es sich hier um zwei kleine, recht dunkle Ausstellungsräume, die mit Zeittafeln, Info-Plakaten, Fotos der Vermissten und einigen Ausstellungsstücken (Kleidung der Toten, Briefen, Kunsthandwerk mit sozial-politischen Einflüssen) den Verlauf der terroristischen Epoche erklären sollen.
Der Terrorismus der 80er Jahre bleibt allgegenwärtig. In einem kolonialen Hinterhof begegne ich später am Nachmittag eine Fotoausstellung zum Thema, und auch im Gespräch mit Einheimischen stelle ich fest, dass so gut wie jede Familie Angehörige zu nennen hat, die entweder im Terrorismus ums Leben gekommen sind oder bis heute als vermisst gelten.
Ayacucho: Stadt der 33 Kirchen
Gleich auf anhieb fiel mir auf, wie viele prachtvolle Kirchen Ayacucho zu bieten hat. Nicht umsonst der Werbespruch „Stadt der 33 Kirchen“. Mittlerweile geht die Anzahl an Kirchen weit über 33 hinaus. Die Osterprozessionen zur Semana Santa sollen zu den imposantesten weltweit gehören. Was den Kolonialstil anbelangt, finde ich, kann Ayacucho mit den Städten Arequipa und Cusco locker mithalten. Stilvoll angelegte Plätze und zementierte Gassen, die im Glanz der Andensonne strahlen, laden zum schlendern, staunen und verweilen ein.
Kunsthandwerk aus Ayacucho
Und so schlendere ich am Nachmittag zum Kunstmarkt “Shosaku Nagase“ fünf Blocks vom Hauptplatz entfernt. Ein super toller Ort, um Souvenirs und filigranes Kunsthandwerk zu kaufen, wie auch mein Geldbeutel schnell feststellen wird. Besonders bekannt ist Ayacucho und Umgebung für seine Keramikstiere, die man auf fast allen Häuserdächern bewundern kann. Die bunt bemalten Stiere findet man inzwischen auch in Cusco, aber ursprünglich kommt diese Tradition aus der Region Ayacuchos. Die meisten Töpfereien befinden sich in dem kleinen Dorf Quinua, welches ich noch besuchen werde. Aber noch berühmter als die Stiere dürften die sogenannten „Retablos“ sein. Das ist die Altarkunst aus Ayacucho, die je nach Epoche die Geschichte, Traditionen und das Leben der Menschen darstellt und in fast jedem Haushalt zu finden sind. Aber auch feine Textilien, Lederwaren und Instrumente stammen aus Ayacucho.
Besuch der Kathedrale
Schon am Vormittag wollte ich mir die Kathedrale von Innen ansehen, doch war sie geschlossen. Am Abend hatte ich mehr Glück und für 10 Soles konnte ich eine private Führung durch das Kirchenschiff, seine Katakomben und hinauf auf das Dach machen (eigentlich handelt es sich um eine Gruppenführung, doch es waren keine anderen Besucher außer mir anwesend). Gerade zur Dämmerung konnte ich tolle Fotos von der Kirche und dem Hauptplatz machen!
Sehenswürdigkeiten außerhalb von Ayacucho
In einem der Tourbüros, die sich beim Hauptplatz in Ayacucho finden, habe ich eine halbtägige Tour zur archäologischen Stätte von Wari und dem Dorf Quinua 22 Kilometer nordöstlich von Ayacucho gebucht.
In Quinua stand der Besuch vom Schlachtfeld und seinem Denkmal (“Obelisco de la Pampa de la Quinua”) auf dem Programm, sowie einer Töpferei, wo die berühmten Stiere und diverse andere Keramiken hergestellt werden. In das malerische Quinua auf 3.300 Meter hätte ich ohne Probleme auch mit dem Combi fahren können und da mir die Rückfahrt im Tourbus gegen Mittag zu früh war, habe ich einfach beschlossen, noch zu bleiben und durch Quinua zu bummeln.
Der Tourbus verließ Quinua also ohne mich. Gute Entscheidung, in einer der Werkstätten traf ich auf den Kunsthandwerker Mamerto Sanchez und plauderte mit ihm eine gute Weile über seine Arbeit, seine Ausstellung und das ruhige Leben im Andennest Quinua.
Weitere Ausflugsmöglichkeiten
Für die zwei folgenden Touren, hatte ich leider nicht genug Zeit im Gepäck. Viele der organisierten Touren ab Ayacucho dauern inklusive Pinkelpausen, langen Mittagessen in Restaurants und Führungen einfach zu lange (meist von 06 bis 09 oder 10 Uhr abends). Schuld daran sind natürlich die langen Distanzen und da ich auf meiner Reise durch die Zentralanden schon genug im Bus sitze, entschied ich mich gegen die langen Tagestouren. Am einfachsten haben es natürlich Mietwagen-Fahrer, die die vielen Sehenswürdigkeiten außerhalb von Ayacucho selbst abfahren können.
Milpo Wasserbecken
Diese türkisblauen Naturbecken befinden sich rund vier Stunden außerhalb von Ayacucho in einer Schlucht. Touren finden nur statt, wenn sich genügend Teilnehmer zusammen finden und das ist meistens am Wochenende der Fall, wenn Ayacucho von Touristen aus Lima besucht wird.
Vilcashuamán
Hierbei handelt es sich um eine Inka-Stätte auf 3.490 Metern, die rund 120 Kilometer südöstlich von Ayacucho liegt. Ausgangspunkt ist der Ort Vischongo auf 3.126 Metern. Vilcashuamán diente als politisches und militärisches Zentrum der Inka, der Bau wurde unter Inka Pachacútec begonnen und unter Inka Huayna Capac fertig gestellt. Wie so oft wurde auch auf diesem Inka-Tempel nach Eroberung durch die Spanier eine Kirche gebaut, in diesem Fall handelt es sich um die „Iglesia San Juan Bautista“. Auf dem Weg nach Vilcashuamán wird die größte Bromelienart der Erde, die „Puya Raimondii” im Naturschutzpark Titankayocc besichtigt. Sie wächst meterhoch und wird auch als „andine Palme“ bezeichnet.
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