¿Hablas Quechua? – Die “Sprache der Menschen” erwacht aus dem Dornröschenschlaf

“Au sumaq warma chay pachawan,
uma muyusqam kani chayna kanichu,
chayna sumaq sumaq kanki,
uma muyusjam kani kachkankichu”

Was hat dieser Text mit Michael Jackson zu tun?

Es ist der Songtext von The Way You Make Me Feel – auf Quechua. Was Michael Jackson leider nicht weiß: Das Quechua-Cover einer vierzehnjährigen Quechua-Schülerin bricht in Peru nicht nur alle Rekorde, sondern verhilft der indigenen und über Jahrhunderte verdrängten Sprache aus dem Dornröschenschlaf.

 

Quechua ist die “Sprache der Menschen” 

Quechua – auch genannt runa simi “Sprache der Menschen” – ist eine von 47 nativen Sprachen in Peru. Mit rund 10 Millionen Sprechern ist Quechua die drittstärkste Sprache in Südamerika – nach Spanisch und Portugiesisch. Der genaue Ursprung dieser Sprache ist nicht belegt, lässt sich aber auf die Zentralanden von Peru zurückführen. Quechua wurde bereits vor den Inka gesprochen, aber erst mit deren Expansionen nach Ecuador, Kolumbien, Bolivien, Argentinien und Chile verbreitete sich die “Sprache der Menschen” auf dem ganzen Kontinent. Es ist eine orale Sprache. Da die Inka keine Schrift besaßen, konnte sich Quechua zu keiner Schriftsprache entwickeln. Es fehlt dem Quechua daher an einheitlichen Regeln und Strukturen. Stattdessen dominieren endlos viele Quechua-Dialekte, die es seinen Sprechern schwer machen, sich untereinander zu verständigen.

 

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Mit der Kolonialherrschaft durch die Spanier ab dem 16. Jahrhundert, und insbesondere nach dem Aufstand von Rebellen-Führer Túpac Amaru wurde Quechua unterdrückt und in seiner weiteren Entwicklung gehemmt. Das heutige Quechua ist durchtränkt von spanischen Wörtern, einfach weil es viele Ausdrücke in der “Sprache der Menschen” gar nicht gibt. Indigene, die in den Städten leben, sprechen oft einen willkürlichen Mix aus Spanisch und Quechua – weder die eine, noch die andere Sprache wird richtig beherrscht, was letztlich zum Verlust der eigenen Identität führen kann. Der Sprachwandel lässt sich innerhalb peruanischer Familien gut beobachten: Die Großeltern sprechen Quechua, die Eltern sprechen einen Mix aus Quechua und Spanisch und die Kinder sprechen hauptsächlich Spanisch und kaum noch Quechua. Viel zu oft wird Quechua mit Armut und Rückschritt in Verbindung gesetzt, die Quechua-Sprecher schämen sich für ihre Muttersprache, da sie sich vor Diskriminierung und Ablehnung fürchten.

 

Quechua prägt die spanische Sprache

Auch wenn viele Andenbewohner der Sprache ihrer Vorfahren den Rücken kehren, so können sie kaum verleugnen, wie sehr Quechua auf das peruanische Spanisch abgefärbt hat. Viele Ausdrücke wie choclo “Mais”, chakra “Land”, palta “Avocado”, condor “Kondor” und yapa “Nachschlag” werden von der Mehrzahl Peruaner unbewusst in alltäglichen Gesprächen genutzt – um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen. In Cusco ist man stolz auf die vielen Straßennamen aus Inka-Zeiten wie calle choquechaka, pumacurco oder huaynapata und auch Hotels – rumi punku “Steintor”, tika wasi “Haus der Blumen” oder amaru “Schlange” – bedienen sich des Quechua, um ihren Unterkünften einen besonderen Charme zu verleihen.

 

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Wie Quechua funktioniert

Doch wie funktioniert die “Sprache der Menschen”?

Zunächst fällt auf, die Quechua-Sprecher lieben es, Worte zu akkumulieren. Eine wahre Zungenbrecher-Sprache! Quechua ist eine agglutinierende Sprache, bei der die Wortwurzel unverändert bleibt und durch Suffixe ergänzt wird. Ähnlich verhält es sich in der mittelägyptischen Sprache sowie im Türkischen oder Ungarischen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Wendung “für meine Häuser”: Aus dem wasi “Haus” wird wasiy “mein Haus”, dann wasiykuna “meine Häuser” und schließlich wasiykunapaq “für meine Häuser”. Die Aussprache von Quechua klingt nach Aussage eines guten Freundes wie Deutsch, da die Wörter zum Teil sehr schroff und aus dem Kehlkopf heraus betont werden. Ich als Deutsch-Muttersprachlerin kann das so nicht unterschreiben. Ich persönlich finde, Quechua hört sich sehr liebevoll und herzlich an. Und so ist es auch. Quechua ist die Sprache der Poesie, welche die enge Verbundenheit und Liebe zur Natur ausdrückt.

 

Sprache der Poesie

Sehr liebenswürdig klingt es, wenn Quechua-Sprecher – die lediglich die Vokale ‘a’, ‘i’ und ‘u’ kennen – spanische Wörter mit den Vokalen ‘e’ und ‘o’ aussprechen. Aus dem Ausdruck se ha hecho “wurde gemacht” wird dann ein sia hichu. Recht auffällig ist zudem der überschwängliche Gebrauch von Verniedlichungen, welche durch das Dranhängen von -lla/-cha zum Ausdruck gebracht wird: urpillay “mein Täubchen” oder sunquchallay “mi corazoncito” “mein Herzchen”. Mit meinem eigenen Namen geht das natürlich auch und heißt dann: Norachay “meine Norita”. Im Spanischen selbst werden häufig die Endungen -cito/-cita benutzt:

 

Señorita für Fräulein
Papitas für Kartöffelchen
Esquinita für Eckchen
Poquitito für ein bisschen(chen)
Ahorita für jetzt(chen)
Aquicito für hier(chen)

 

Peruanisches Spanisch ist einfach eine Sprache mit mucho cariño (mit viel Liebe). Die vierzehnjährige Renata Flores Rivera ist das Gesicht hinter dem Michael Jackson Cover. Mit chullo – der bunten Andenmütze – steht sie mittlerweile auf ganz großen Bühnen und singt in der Sprache ihrer Vorfahren. 1 Millionen Klicks auf ihren Youtube-Hit sowie tausende Fans und Kommentare bei Facebook zeigen, wie sehr Renata ihren Landsleuten aus der Seele spricht. Sie selbst lernt Quechua in der Schule. Als sie klein war, hatten ihre Eltern Bedenken, ihr Quechua beizubringen – wozu auch? Damit kommt sie im Leben doch nicht weiter? Doch heute sieht ihre Mutter das anders, sie sagt:

 

“Es ist unser Erbe, unsere Identität. Indigenes Blut fließt durch unsere Venen und wir vergessen unsere Sprache.”

 

Die Zukunft von Quechua bleibt ungewiss.

Nora

Nora

Reiseautorin & Fotografin

 

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1 Kommentar

  1. Besonders nett finde ich ja das “Quechua”-Wort “huachimáng”…;-)

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